Die Ulanenkaserne
Luftbild von 1910. Links oben Ulanenkaserne, daneben Zellengefängnis. Darunter ULAP-Gelände, Lehrter Bahnhof und Humboldthafen. (Bild gemeinfrei.)
(Kartenabschnitt für diese Etappe.)
Wir gehen über die Haupttreppe zu Alt-Moabit und biegen dort rechts ab, wo wir bald den Anfang der Invalidenstraße erreichen.
Dort wo auf der rechten Seite früher das Ausstellunggelände mit Park und künstlichen Teichen und Urania-Gebäude war, stehen inzwischen eine Polizeiinspektion, die Gewerbeüberwachung und ein Aldi. Auch auf der linken Straßenseite erinnert nichts mehr an die Erstbebauung. Dort wo die Ulanenkaserne war, ist nunmehr die Heinrich-Zille-Siedlung. Die Kaserne wurde in den 50ern abgerissen, Anfang der 80er wurde die Siedlung fertiggestellt, die knapp 900 Wohnungen für 2400 Bewohner bietet. An die Ulanenkaserne erinnert nur noch ein Gedenkstein in der Claire-Waldoff-Promenade, die von der Invalidenstraße an der Heinrich-Zille-Siedlung abzweigt. Er zeigt einen Reiter mit Fahne und hat die Inschrift: "Den in Weltkrieg 1914-1918 gefallenden Helden des 2. Garde Ulanen Regiments zum Ehrenden Gedächtnis dem stolzen tapfren Regiment zum Andenken". Es folgen die Namen derjenigen, die „den Heldentod“ starben. Das Denkmal stammt von Josef Limburg und wurde 1923 errichtet.
Wir gehen über die Haupttreppe zu Alt-Moabit und biegen dort rechts ab, wo wir bald den Anfang der Invalidenstraße erreichen.
Dort wo auf der rechten Seite früher das Ausstellunggelände mit Park und künstlichen Teichen und Urania-Gebäude war, stehen inzwischen eine Polizeiinspektion, die Gewerbeüberwachung und ein Aldi. Auch auf der linken Straßenseite erinnert nichts mehr an die Erstbebauung. Dort wo die Ulanenkaserne war, ist nunmehr die Heinrich-Zille-Siedlung. Die Kaserne wurde in den 50ern abgerissen, Anfang der 80er wurde die Siedlung fertiggestellt, die knapp 900 Wohnungen für 2400 Bewohner bietet. An die Ulanenkaserne erinnert nur noch ein Gedenkstein in der Claire-Waldoff-Promenade, die von der Invalidenstraße an der Heinrich-Zille-Siedlung abzweigt. Er zeigt einen Reiter mit Fahne und hat die Inschrift: "Den in Weltkrieg 1914-1918 gefallenden Helden des 2. Garde Ulanen Regiments zum Ehrenden Gedächtnis dem stolzen tapfren Regiment zum Andenken". Es folgen die Namen derjenigen, die „den Heldentod“ starben. Das Denkmal stammt von Josef Limburg und wurde 1923 errichtet.
Man macht sich erst einen Eindruck von der Größe der früheren Kaserne, wenn man die Strecke von der Ecke Invalidenstraße/Alt-Moabit bis zu der Gedenkstätte des ehemaligen Zellengefängnisses abgeht, das war die Vorderfront des Geländes. Wenn man das Gelände nebst dem früheren Exerzierplatz umlaufen wollte, müsste man dann in die Lehrter Straße einbiegen, bis zur Kruppstraße, dort dann wieder links in die Rathenower Straße bis zur Invalidenstraße zurück. Die Nordgrenze der eigentlichen Kaserne ist nunmehr durch die Sedlitzstraße bezeichnet. Immerhin musste Platz für 600 Soldaten und ebenso viele Pferde sein. Das 2. Garde-Ulanen-Regiment Regiment kämpfte im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866, im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und – wie wir von dem Gedenkstein wissen – im 1. Weltkrieg. Nach dem 1. Weltkrieg wurde das Regiment aufgelöst.
Es gibt Bilder, auf denen zu sehen ist, wie im November 1918 die Kaserne den Arbeiter- und Soldatenräten übergeben wird, die ein Transparent tragen: „Brüder! Nicht schießen!“ Die Verbrüderung war aber nur von kurzer Dauer: Teile des Regiments kehrten als Freiwilligen-Escadron des 2. Garde-Ulanen-Regiments in die Kaserne zurück, darunter auch die späteren Mörder von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Harry Graf Kessler schreibt in sein Tagebuch am 1.1.1919: „Die Wilhelmstraße ist wieder schwarz von Menschen, Regierungstreue. Alle Fenster der Reichsämter und Palais starren von Soldaten. Um elfeinviertel spricht vom Balkon des Reichsamts des Innern ein älterer Soldat oder Unteroffizier: „Es wird losgehen! So geht es nicht mehr weiter. Wir müssen die Spartakusbande ausräuchern. Truppen sind unterwegs. Ihr müsst aber mithelfen. Wer für die Regierung ist, soll sich zur Verfügung stellen. Ich habe hier Waffenscheine. Kommt herein und holt sie euch. Mit den Waffenscheinen geht ihr nach der Invalidenstraße zur II. Garde-Ulanen-Kaserne. Dort bekommt ihr Waffen. Aber die Kinder müssen weg von der Straße. Liebknecht wird sie nicht schonen; er braucht Reklameleichen. Nieder mit Liebknecht! Hoch die Regierung Ebert-Scheidemann!“ Ziemlich viele aus der Menge drängen nach dem Tor zu den Waffenscheinen.“
Es gibt Bilder, auf denen zu sehen ist, wie im November 1918 die Kaserne den Arbeiter- und Soldatenräten übergeben wird, die ein Transparent tragen: „Brüder! Nicht schießen!“ Die Verbrüderung war aber nur von kurzer Dauer: Teile des Regiments kehrten als Freiwilligen-Escadron des 2. Garde-Ulanen-Regiments in die Kaserne zurück, darunter auch die späteren Mörder von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Harry Graf Kessler schreibt in sein Tagebuch am 1.1.1919: „Die Wilhelmstraße ist wieder schwarz von Menschen, Regierungstreue. Alle Fenster der Reichsämter und Palais starren von Soldaten. Um elfeinviertel spricht vom Balkon des Reichsamts des Innern ein älterer Soldat oder Unteroffizier: „Es wird losgehen! So geht es nicht mehr weiter. Wir müssen die Spartakusbande ausräuchern. Truppen sind unterwegs. Ihr müsst aber mithelfen. Wer für die Regierung ist, soll sich zur Verfügung stellen. Ich habe hier Waffenscheine. Kommt herein und holt sie euch. Mit den Waffenscheinen geht ihr nach der Invalidenstraße zur II. Garde-Ulanen-Kaserne. Dort bekommt ihr Waffen. Aber die Kinder müssen weg von der Straße. Liebknecht wird sie nicht schonen; er braucht Reklameleichen. Nieder mit Liebknecht! Hoch die Regierung Ebert-Scheidemann!“ Ziemlich viele aus der Menge drängen nach dem Tor zu den Waffenscheinen.“
Ende Juni 1927 fand man bei Arbeiten
am Stadtbahnbogen 314 auf dem benachbarten ULAP-Gelände zunächst 16 Skelette,
später dann weitere Skelette, insgesamt sollen es 126 gewesen sein. Die
Skelette waren schon stark verfallen, es wurden auch keine Überreste von
Kleidung gefunden. Bei den ersten 16 Skeletten soll es sich um Männer von 20
bis 25 Jahren gehandelt haben, denen der Schädel eingeschlagen wurde. Die erste
Vermutung war, dass es sich um Leichen von Spartakisten handelte. Dafür sprach
der Fundort und die Nutzung des Geländes: Nach dem 1. Weltkrieg hatten
Spartakisten das ehemalige Reservelazarett, das auf dem ULAP-Gelände angelegt
wurde, besetzt; Kämpfe mit den Freikorps-Soldaten der Ulanenkaserne waren
zwangsläufig. Massentötungen hatte es im Januar 1919 in Berlin einige gegeben. Diese Deutung
findet sich auch heute noch an vielen Stellen, zum Beispiel auch im
Wikipedia-Eintrag zum ULAP. Den damaligen Presseberichten kann man jedoch entnehmen,
dass der Gutachter Medizinalrat Prof. Strauch davon ausging, dass die Skelette
schon deutlich länger als 50 Jahre dort lagen. Der Vorwärts berichtete im Juli
1929, dass weitere Skelette auch unter den Stützpfeilern der Stadtbahn
ausgegraben worden seien, was auch für eine frühere Grabanlage sprechen würde. Über
die Zuordnung der Skelette gab es (vor allem zwischen sozialdemokratischer und
kommunistischer Presse) einen großen Streit. Erich Mühsam mochte in einem
Beitrag für seine Zeitschrift „Das Fanal“ die offizielle Darstellung nicht
recht glauben, Erich Weinert schrieb ein Gedicht Stadtbahnbogen 314,
nach dem Fundort der Leichen benannt.
Johannes R. Becher erinnert
sich in seinen Tagebüchern 1950, die 1951 im Aufbau-Verlag veröffentlicht
wurden, an eine Begegnung mit Medizinalrat Prof. Strauch 1928, der ihn
psychiatrisch begutachten sollte: Im Hintergrund des Arbeitszimmers standen
der Wand entlang einige Säcke, die mit Knochen gefüllt waren. „Das sind die
Ulap-Knochen“, erklärte er, als er bemerkte, dass ich die Knochen anstaunte.
(Im Ulap-Vergnügungspark in Berlin waren bei Aufräumungsarbeiten Skelette
gefunden worden, von denen die „Welt am Abend“ behauptete, es handele sich um
Skelette gefallener Spartakisten, die man dort heimlich verscharrt habe.) „Da
hat mir Ihre ‚Welt am Abend‘ wieder schön zugesetzt, als sie behauptet hat, das
wären vergrabene Spartakisten-Skelette. Aus der Franzosenzeit stammen sie,
diese Knochen. Sie können sich jederzeit selbst davon überzeugen. […]“ Bei
den späteren Arbeiten für den Berliner Hauptbahnhof wurden noch weitere fünfhundert
Tote gefunden, die wohl russische Soldaten waren, die bei der Besetzung Berlins
1760 starben, waren. Der ULAP-Vergnügungspark war also – genauso wie schon der
vorherige Ausstellungspark - buchstäblich auf Leichen gebaut war, das Amüsement
der Weimarer Republik war Tanz auf dem Massengrab.
Die Ulanenkaserne wurde danach
von der Reichswehr genutzt. 1943 wurden hier Juden, die von der SS in der sog.
Fabrikaktion am Arbeitsplatz abgeholt wurden, in den ehemaligen Pferdeställen
der Ulanenkaserne festgehalten, ohne Verpflegung und unter unsäglichen
hygienischen Zuständen. 2000 Menschen wurden mehrere Tage festgehalten und im
März 1943 auf dem Moabiter Güterbahnhof in Züge nach Auschwitz gezwungen. Der
Moabiter Güterbahnhof war an der Stelle, an der man heute den Bahnhof
Beusselstraße findet. Dort hält (noch) der TXL-Bus, eine der wenigen
öffentlichen Verbindungen zum Flughafen Tegel. Ich habe oft beim Warten auf den
TXL-Bus von der Beusselbrücke aus die Gleise fotografiert, ohne zu wissen, dass
das ein Ausgangspunkt für die Züge nach Auschwitz war.
Blick von der Beusselbrücke. Rechts war früher der Güterbahnhof Moabit.
Während
wir aufgrund des Gedenksteins für die Toten des Ulanenregiments wissen, wer aus
diesem Regiment im 1. Weltkrieg gestorben ist, findet man bei der Kaserne
keinen Gedenkstein für die deportierten Juden (Beim früheren Güterbahnhof
Moabit gibt es jedoch seit Juni 2017 einen Gedenkort zwischen Quitzowstraße und
Ellen-Epstein-Straße). Über die verschiedenen Stolpersteine in Berlin kann man
zumindest wenige Namen der damals nach Ausschwitz Deportierten erfahren: Zu
ihnen gehörten die am 13.08.1877 geborene Elsbeth Rubensohn, für die in der
Windscheidstraße 9 ein Stolperstein verlegt wurde, der am 18.11.1896 geborene Herbert Kabaker, für den in der Babelsbergerstraße 11
ein Stolperstein verlegt wurde, sowie Auguste Cäcilie Tuchler, geboren am 4.9.1891,
die als Zwangsarbeiterin bei Osram von der SS von ihrem Arbeitsplatz geholt und
zur Ulanenkaserne gebracht wurde (Stolperstein in der Nollendorfstraße 28).
Zellengefängnis Lehrter Straße
Wir stellen fest, dass wir
schon auf den ersten hundert Metern unseres Weges tausendfachem Mord, Verrat
und Niedertracht begegnet sind. Wir gehen nun weiter die Invalidenstraße
ostwärts. Gegenüber vom Hauptbahnhof sehen wir das Gelände des früheren
Zellengefängnisses Lehrter Straße, von dem noch die Außenmauern stehen. Das
Gefängnis wurde 1957/58 bis auf die Außenmauern abgerissen und der Platz diente in der Zwischenzeit
als Kleingartenanlage, Lagerfläche, Schrottplatz und von
Autoreparaturwerkstätten. Seit 2006 ist auf dem Gefängnisgelände ein Geschichtspark eingerichtet. Der Eingang mit den Stelen, die an Gitterstäbe erinnern, soll noch einmal
verdeutlichen, dass es sich hier früher um ein Gefängnis gehandelt hat. Wikipedia
teilt mit, dass der Geschichtspark in Fachkreisen als „schwierige
Gratwanderung zwischen Gedächtnis und Gedenkstättenkitsch, Erholung und
Geschwätz“ gelobt werde.
Blick von der Sandkrugbrücke auf das Zellengefängnis. (Bild gemeinfrei.)
Das
Zellengefängnis Lehrter Straße wurde in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts
errichtet. Es galt damals als besonders fortschrittlich, weil es keine
Gemeinschaftszellen, sondern Einzelzellen gab. Ein Stich von 1855 gibt einen
guten Eindruck von dem Gebäude. Wir sehen Spaziergänger, die die Sandkrugbrücke
überqueren, dahinter sieht man zu rechter Seite den großen Komplex mit den
Wachtürmen. Im Hintergrund links sieht man dann noch die Front der
Ulanenkaserne. Das Gefängnisgebäude
innen ist sternförmig angelegt, mit fünf Armen. Auf dem Gedenkgelände kann man
durch verschiedene bauliche Markierungen noch sehen, wie diese Arme verliefen.
In der Mitte saßen die Wächter, die unmittelbar alle Gefängnistrakte im Blick
hatten.
Zu den Inhaftierten zählen
neben Friedrich Wilhelm Voigt, der hier noch vor seinem Auftritt als Hauptmann
von Köpenick eingesperrt war, auch Erich Mühsam, Ernst Busch und Wolfgang
Borchert. Erich Mühsam wurde kurz nach dem Reichstagsbrand verhaftet, nach
wenigen Wochen von der SA aus dem Zellengefängnis geholt und in das KZ
Oranienburg gebracht, wo er 1934 umgebracht wurde. Da das Zellengefängnis in den 40er
Jahren des letzten Jahrhunderts auch von der Gestapo als Untersuchungshaftanstalt
genutzt wurde, waren viele Widerstandskämpfer in dem Zellengefängnis
inhaftiert. Zu den wegen des Verdachts der Verschwörung gegen Hitler
Inhaftierten gehörte 1945 auch Gustav Noske, der 1919 als Reichswehrminister
für die Freikorpssoldaten zuständig war.
In dem Gefängnis war auch ein
Richtplatz, der die früher genutzten Hinrichtungsstätte am Gartenplatz ablöste, dort
hatten teilweise zehntausende Menschen bei Hinrichtungen zugesehen. Nach dem
Preußischen Strafgesetzbuch sollten Hinrichtungen aber nicht mehr öffentlich
sein. Deswegen wurden ab 1850 Todesurteile im Hof des Zellengefängnisses vollstreckt.
Am 11.2.1853 wurde hier z.B. Franz Schall hingerichtet, der „kleine Jäger“, der
wegen Mordes an dem Viehhändler Ebermann zum Tode verurteilt wurde. Es handelte
sich um einen Indizienprozess, ein wesentliches Indiz gegen Schall war, dass er
mit dem Ermordeten vor der Tat in der Invalidenstraße gesehen wurde. Den
Berichten können wir entnehmen, dass neben den zwölf vorgeschriebenen Zeugen
noch weitere 100 Personen, darunter zahlreiche Ärzte, anwesend waren, an die
Einlasskarten verteilt worden waren. Der Eingang des Gefängnisses wurde militärisch bewacht, um ungeladene Zuschauer abzuschrecken. Schnee und
schlechtes Wetter schreckten die Zuschauer nicht ab. Während früher
Hinrichtungen auf einem Sandhaufen zu ebener Erde vollzogen wurden, wurde jetzt
das Schafott hoch auf einem Podium angebracht – der Feierlichkeit wegen. Der
Delinquent wurde auf einen Block geschnallt und mit einem Beil geköpft. Die
Hingerichteten wurden auf dem Gefängnisfriedhof bestattet. Insgesamt gab es bis
1886 über 20 Hinrichtungen im Zellengefängnis, ab 1890 waren die Scharfrichter
dann in der Strafanstalt Plötzensee.
Am 11.5.1949 fand noch eine letzte Hinrichtung im Zellengefängnis Lehrter Straße statt. Es wurde der 24jährige Berthold Wehmeyer mit dem Fallbeil hingerichtet, der wegen Mord und Vergewaltigung zum Tode verurteilt worden war. Die Todesstrafe wurde in der Bundesrepublik durch das Grundgesetz, das am 23.5.1949 in Kraft trat, abgeschafft. Das Grundgesetz galt jedoch nicht in Berlin, hier wurde von den Westalliierten die Todesstrafe 1951 nur teilweise abgeschafft; in Bezug auf die Gerichtsbarkeit der Alliierten blieb die Todesstrafe grundsätzlich noch bis zur Wiedervereinigung möglich. In der DDR blieb es bei der Todesstrafe. In Berlin fanden aber nach 1949 keine Hinrichtungen mehr statt.
Am 11.5.1949 fand noch eine letzte Hinrichtung im Zellengefängnis Lehrter Straße statt. Es wurde der 24jährige Berthold Wehmeyer mit dem Fallbeil hingerichtet, der wegen Mord und Vergewaltigung zum Tode verurteilt worden war. Die Todesstrafe wurde in der Bundesrepublik durch das Grundgesetz, das am 23.5.1949 in Kraft trat, abgeschafft. Das Grundgesetz galt jedoch nicht in Berlin, hier wurde von den Westalliierten die Todesstrafe 1951 nur teilweise abgeschafft; in Bezug auf die Gerichtsbarkeit der Alliierten blieb die Todesstrafe grundsätzlich noch bis zur Wiedervereinigung möglich. In der DDR blieb es bei der Todesstrafe. In Berlin fanden aber nach 1949 keine Hinrichtungen mehr statt.
In dem Geschichtspark kann man
im Sommer Anwohner beim Picknick sehen, im Winter dienen die Wände Obdachlosen
zum Unterschlupf. Im Sommer ist die Außenmauer mit ihren Ziegeln und
Vorsprüngen ein beliebter Platz für die unterschiedlichsten Vögel. Im Winter
sieht man nur die Nebelkrähen und – ansonsten in der Invalidenstraße eher
ungewöhnlich – Rabenkrähen. In der Gedenkstätte ist ein Gedenkstein für die
Opfer des Nationalsozialismus. In der Mitte steht ein offener Würfel, der die
Stelle bezeichnet, wo der Hauptturm war.
Eine nachempfundene Zelle im Geschichtspark.
Weiter
hinten im Park ist ein offener Betonbau, der den früheren Zellen nachempfunden
ist. In dieser Zelle ist eine Klanginstallation: Wenn man im Eingang verharrt,
hört man Teile der Moabiter Sonette. Diese wurden von Albrecht Haushofer in dem
Zellengefängnis als Häftling im Winter 1944/1945 geschrieben. Haushofer war
Professor für politische Geographie und Geopolitik. Er hatte gute Verbindungen zum
Auswärtigen Amt und zu Rudolf Heß, aber auch ab 1940 zu verschiedenen
Widerstandsgruppen. Nach dem Englandflug von Rudolf Heß wurde er schon für
einen Monat in „Ehrenhaft“ genommen und stand danach unter Überwachung. Martin
Bormann sah in ihm einen der intellektuellen Urheber des Englandflugs von
Rudolf Heß. Haushofer war nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 untergetaucht und
danach verhaftet worden. An der östlichen Wand des Geschichtsparks stehen
folgende Verse aus den Sonetten: „Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt,
ist unter Mauerwerk und Eisengittern ein Hauch lebendig, ein geheimes Zittern.“
Ein anderes Sonett, den Widerstandskämpfern gewidmet endet mit den Versen: „…und
ihrer aller wartet der Strick. Es gibt wohl Zeiten, die der Irrsinn lenkt. Dann
sind’s die besten Köpfe, die man henkt.“
Geschichtspark, Blick nach Osten.
Kurz
vor Kriegsende, als die russische Armee schon vor und in Berlin stand, wurde Albrecht
Haushofer am 22.4.1945 zusammen mit 15 anderen Gefangenen wahrscheinlich von
SS-Angehörigen abgeholt. Ihnen wurde mitgeteilt, sie würden in die
Prinz-Albrecht-Straße (Hauptquartier der Gestapo) verlegt. Tatsächlich führte
der Weg der sechzehn aber nur über die Straße bis zum nördlichen Teil des
ULAP-Gelände, wo sie von den SS-Männern erschossen wurden. Einer von ihnen,
Herbert Kosny, erlitt nur einen Wangendurchschuss, stellte sich tot und
überlebte als einziger die Aktion. Die Morde wurden tatsächlich auch der
Polizei gemeldet; eines der für mich verstörendsten Details einer ohnehin
verstörenden Geschichte ist, dass der Chef der Berliner Mordkommission damals
ein Dr. Robert Schefe war. Dr. Schefe war ursprünglich Jurist, er promovierte an der
Universität Jena mit einer urheberrechtlichen Dissertation. Er war zudem schon
früh in den Vernichtungskrieg einbezogen, so z.B. als Leiter der Gestapo Lodz, wo
er für die Schaffung des Ghetto Lodz mitverantwortlich war und damit selbst persönliche
Erfahrung mit Morden sammelte. Natürlich wurden die Ermittlungen eingestellt. Auch
nach dem Krieg wurde niemand dafür zur Verantwortung gezogen.
Viele der anderen politischen
Gefangenen des Lehrter Zellengefängnisses wurden Ende April 1945 entlassen (so
auch Gustav Noske und Haushofers Bruder Heinz, der ebenfalls dort inhaftiert
war), da das Unterliegen im Krieg schon absehbar war. Bei der Mordaktion vom
22.4.1945 waren zum einen Häftlinge, gegen die es schon ein Todesurteil des
Volksgerichtshofs gab, ausgewählt, aber auch zahlreiche bislang noch nicht
Verurteilte. In Bezug auf Haushofer war noch nicht einmal das
Ermittlungsverfahren abgeschlossen gewesen; er hatte vorher auch zahlreiche Hafterleichterungen
bekommen, da er von Heinrich Himmler den Auftrag erhalten hatte, eine
Abhandlung zur aktuellen Lage abzufassen. Es wird vermutet, dass die Feindschaft
Martin Bormanns dazu geführt hat, dass auch Haushofer zu den Opfern der
Mordaktion wurde.
Bei seiner Leiche wurde ein
Exemplar seiner Moabiter Sonette gefunden.
ULAP revisited
ULAP-Park mit Blick auf das Bahnviadukt.
Wir überqueren wiederum die
Invalidenstraße und sehen das frühere ULAP-Gelände nun mit etwas anderen Augen.
Die Mordaktion des 22.4.1945 fand wohl dort statt, wo nunmehr das
Gewerbeüberwachungsamt steht. Aber damit ist noch kein Ende mit Blut und Gewalt
auf dem Vergnügungsgelände. Nach dem Konkurs des Vergnügungsparks wurde das
Gelände noch für verschiedene Veranstaltungen genutzt, offenbar auch von allen
Parteien. Die Nazis engagierten sich allerdings immer stärker dort, die NSDAP
führte dort z.B. Ende 1932 eine Braune Messe durch, eine Ausstellung von
Unternehmen des Handwerks und des Einzelhandels. In den dreißiger Jahren nutzte
die SA Moabit das ULAP-Gelände auch als Treffpunkt und Exerzierplatz. Aus den
Tagebüchern von Joseph Goebbels erfahren wir, dass er am 14.2.1933 dort eine
Rede vor der Hitlerjugend gab: „Gleich an die Arbeit. Zu Hause mehr
geschuftet. Abends vor der H-Jugend Ulap. Überfüllt. Fabelhafte Jungs. ...! Zu
Hause mehr Arbeit. Magda sehr süß. Heute schwerer Tag. Draußen Schnee und Eis.“
Von März bis November 1933 verschleppte die SA Regimegegner zum ULAP-Gelände
und verhörte und folterte sie dort. Die SA hatte ihren Stützpunkt wohl in dem
Hauptausstellungsgebäude, das östlich des jetzigen ULAP-Parks lag. So wurde auch
Günther Joachim, ein Berliner Rechtsanwalt, am 18.3.1933 von der
SA-Hilfspolizei verhaftet. Er starb am 29.3.1933 aufgrund der Verletzungen
durch die Folterungen auf dem ULAP-Gelände. Wegen seines Todes stellte sein
Bruder Strafanzeige, der Generalstaatsanwalt stellte das Ermittlungsverfahren
allerdings unter Verweis auf die Verordnung des Reichspräsidenten über die
Gewährung von Straffreiheit vom 21. März 1933 ein. Diese Verordnung enthielt in
§ 1 folgende Vorschrift: Für Straftaten, die im Kampfe für die nationale
Erhebung des Deutschen Volkes, zu ihrer Vorbereitung oder im Kampfe für die
deutsche Scholle begangen sind, wird Straffreiheit nach Maßgabe der folgenden
Bestimmungen gewährt.
Das Gelände wurde ab 1936
wieder als Ausstellungsgelände genutzt, es wurde die Deutsche Luftfahrtsammlung
dort ausgestellt. Von dieser Zeit stammt auch die jetzige Gestaltung der Treppe
nach Alt-Moabit; der Eingang war noch mit zwei Löwenfiguren gesäumt, die jetzt
im Verkehrsmuseum stehen. Zu den Ausstellungsstücken zählte auch das große
Verkehrsflugschiff Dornier Do X. Ab 1942 hatte dann die AEG dort Unterkünfte für
ausländische Zwangsarbeiter, in denen etwa 50 Zwangsarbeiter lebten. 1943 wurde
das Gelände bei Bombenangriffen schwer beschädigt. Nach Berichten sollen bis in
die 60er Jahre noch Teile einer DoX auf dem Gelände herumgelegen haben.
Am 2.5.1945, kurz vor
Kriegsende, gab es noch weitere Todesfälle auf dem ULAP-Gelände. Nach Hitlers
Tod hatte Martin Bormann, der Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP und enger
Vertrauter Hitlers, zusammen mit anderen Insassen des Führerbunkers versucht,
aus dem Stadtzentrum Berlins zu entkommen. Sie bewegten sich von der
Weidendammbrücke in Mitte den S-Bahn-Geleisen entlang. Auf dem S-Bahnviadukt am
Lehrter Bahnhof nahm Martin Bormann zusammen mit einem Begleiter Zyankali aus
einer Glaskapsel. 1972 wurde die vergrabene Leiche unter dem Bahnviadukt
entdeckt, 1998 konnte mit einer DNA-Analyse nachgewiesen werden, dass es sich
tatsächlich um Bormann handelte. Martin Bormann fand damit nur wenige Meter von
Albrecht Haushofer den Tod.
Der ULAP-Park geriet Anfang
2019 noch einmal in die Schlagzeilen, weil dort vom Bezirk Mitte sehr rabiat
ein Obdachlosencamp geräumt wurde.
...jetzt kommtse, die INVALIDENSTRASSE ;) *yeah*
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