Freitag, 17. Januar 2020

Spaziergang (6) - Eisengießerei, Naturkundemuseum, IHK


Die Eisengießerei

Etwa zwischen Bundesverkehrsministerium und Naturkundemuseum fließt inzwischen unterirdisch die Panke. Weiter südlich, in der Hannoverschen Straße sieht man sie noch für ein paar Meter als Rinnsal, noch weiter südlich (etwa auf der Höhe des Berliner Ensembles) mündet sie in die Spree.

(Kartenausschnitt für diese Etappe.)
Im 18. Jahrhundert war die Panke hier noch um einiges breiter, es befand sich sogar eine kleine Insel auf der Panke nahe der Invalidenstraße. Hier war seit 1702, wie an vielen Flüsse der Stadt, eine Mühle. Zunächst eine Schleif- und Poliermühle, die später als Tabaksmühle genutzt wurde. An diese Stelle wurde 1804 die königliche Eisengießerei gesetzt. Die Eisengießerei umfasste das gesamte Gelände von der Panke bis zur Chausseestraße. Von dem Gebäude ist nichts mehr erhalten, wenn man den Zaun am jetzigen Bundesverkehrsministerium entlang geht, sieht man dazu eine Informationstafel. Die zwei Löwen, die im Eingangsbereich des Verkehrsministeriums stehen, stammen auch noch aus der Eisengießerei (die Löwen sind merkwürdigerweise mit dem Kopf nach innen gewandt; so als müssten sie die Bewohner des Verkehrsministeriums abwehren und nicht das Haus beschützen); am Übergang vom Bundesverkehrsministerium zum Naturkundemuseum sieht man auch noch eine Skulptur, die an die Eisengießerei erinnert.



In der Eisengießerei wurden Statuen, Denkmäler und Brückenbogen gefertigt (ein Teil der Grabausstattungen am Invalidenfriedhof stammt aus der Eisengießerei), natürlich aber auch Kanonenkugeln. Dem Amtsblatt der königlich kurmärkischen Regierung 1812 kann man entnehmen, dass dort auch Handschrotmühlen hergestellt wurden. Diese waren allerdings in den Städten nicht erlaubt, da sie wohl gerne für das Schwarzbrennen eingesetzt wurden. Besitzer solcher Mühlen wurden unter besondere Aufsicht gestellt, um Schwarzbrennereien zu vermeiden.

Die Eisengießerei kann auch für sich in Anspruch nehmen, die erste Lokomotive des Kontinents hergestellt zu haben. Am 9. Juli 1816 wurde sie fertiggestellt und konnte gegen Eintritt besichtigt werden. Anders als ihre englischen Vorbilder funktionierte sie allerdings nicht. In Gleiwitz sollte sie ausprobiert werden. Die ersten Probefahrten 1817 zeigten verschiedene Undichtigkeiten, keiner wollte die Maschine mehr bedienen. Die zweite Lokomotive, die für eine Zeche in der Saar vorgesehen war, und 1818 gebaut wurde, war auch nicht viel brauchbarer. Sie konnte nicht richtig bewegt werden und wurde schließlich als Alteisen an einen Landwirt verkauft. Die erste brauchbare Berliner Lokomotive wurde dann von anderen hergestellt.  

Die Eisengießerei war die erste Einrichtung der Schwerindustrie in der Gegend. Weitere Betriebe wie Borsig zogen in die Chausseestraße, wo jetzt nur noch das Borsighaus daran erinnert. Die Gegend soll damals Feuerland genannt worden sein, wegen der Kamine und der Dampfhämmer. Je mehr die Gegend allerdings normale Wohngegend wurde, desto mehr verlagerten sich die Betriebe weiter Richtung Norden, in den Wedding.


Fassade des Borsig-Hauses

Die Eisengießerei wurde im Rahmen der Märzrevolution 1848 teilweise niedergebrannt, einige der demontierten Materialien wurden zum Barrikadenbau genutzt.

1890 wurde eine Straße entlang des Pankeufers geplant, die einen Teil des bisherigen Flusslaufes überbaute. Bis heute ist die Panke hier unterirdisch kanalisiert, man sieht sie nur noch einmal für ein kurzes Stück an der Hannoverschen Straße an der Oberfläche. Die Befahrbarkeit der Invalidenstraße, die immer mehr Verkehr auf sich zog, wurde damit erheblich verbessert.

(Die farblich durchaus reizvolle Gartengestaltung vor dem Verkehrsministerium ist wahrscheinlich nicht von Lenné.)

Bergakademie, Naturkundemuseum und Landwirtschaftliche Hochschule





Auf dem früheren Gelände der Eisengießerie befinden sich jetzt drei Gebäude, die ein architektonisches Ensemble bilden. Die Gebäude entstanden 1876- 1889 und sollten den wissenschaftlichen Stand der Stadt zeigen. Im Gebäude der früheren Bergakademie ist nun das Bundesverkehrsministerium. Das Naturkundemuseum steht daneben, etwas versetzt nach hinten. Sein parkähnlicher Vorgarten ist bemerkenswert. Er wurde 1889 von dem Gartenarchitekten Richard W. Köhler geschaffen. Die großen prächtigen Blutbuchen stammen noch von der ursprünglichen Bepflanzung. Zusammen mit den Kastanienbäumen des Robert-Koch-Platzes haben sie also alle Kriege überstanden.



Das Gebäude der landwirtschaftlichen Hochschule wird immer noch von der Universität genutzt. Charakteristisch ist die Inschrift auf dem Hauptportal: Gott helf! An den Fassaden kann man überall noch Schusslöcher sehen, von den letzten Schlachten des 2. Weltkriegs.

Alfred Döblin schildert den Gang am Naturkundemuseum vorbei, als er 1947 nach Berlin zurückkehrt: Man muss vorsichtig gehen, der Asphalt hat gebrannt und trägt Löcher. Das Naturwissenschaftliche Museum, das Archäologische, beherbergte einmal Tierreste aus Vorzeiten. So sich es nun selber jetzt aus. Verkohlt, zusammengebrochen. Die Institute, hier ist man ein- und ausgegangen vor Jahrzehnten. Gerade die Fassaden stehen da, die Treppen führen noch hinauf, ja ein Flügel scheint noch erhalten Im Untergeschoß. (Aus der Zeit Nr. 40/1947, „Wiedersehen mit Berlin“)



Die Industrie- und Handelskammer



An der Ecke Invaliden- und Chausseestraße sehen wir ein architektonisch interessantes Gebäude. Es ist das Hochhaus der früheren Industrie- und Handelskammer der DDR, das 1957 erbaut wurde. Vom Stil her würde es auch in die Frankfurter Allee passen, da es auch ein Beispiel für die Architektur der "Nationalen Tradition" ist, die in den 1950er Jahren in Anlehnung an die stalinistische Architektur der Sowjetunion von den Architekten in der DDR gefordert wurde. Am äußersten Ende der der Invalidenstraße zugewandten Seite kann man eine kleine aufgeklebte Kachel mit einer stilisierten Schlange sehen. Es handelt sich um ein Werk des normannischen Street-Art-Künstlers Oré. Seine Holztafeln mit Quetzalcoatl-Darstellungen gibt es in einigen europäischen Städten; auch in Berlin gibt es noch mehrere davon zu entdecken. 




Die Chausseestraße

Wir überqueren nun die Chausseestraße. Nördlich und südlich gäbe es auch hier ausreichend anzusehen und zu erwandern. Man könnte sich das BND-Gebäude von ferne ansehen, das alte Wohnhaus von Bert Brecht, den Dorotheenstädter Friedhof, auf dem Johannes R. Becher und Wolfgang Herrndorf liegen, die verbleibenden Zeugnisse der Schwerindustrie oder auch die Geschichte des früheren Amüsierviertels erwandern. Wir bleiben aber bei unserer Straße und gehen die Invalidenstraße ostwärts





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